Login
Emailadresse Passwort Passwort vergessen?
Login
Registrieren

Die IAA der Chinesen

Der Automobilbranchenexperte Ferdinand Dudenhöffer hatte schon im Vorfeld der diesjährigen IAA Mobility die chinesischen Autobauer für derart stark gehalten, dass diese die Branchenmesse dominieren könnten. Genauso ist es gekommen. Dudenhöffer hat sie daher „die IAA der Chinesen“ genannt. Auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) verweist auf ein gestiegenes Interesse aus dem Ausland. Der Anteil ausländischer Aussteller sei um 17 Prozentpunkte auf 50 Prozent gestiegen, teilte Verbandspräsidentin Hildegard Müller mit.

Chinesische Elektromobilität auf dem Vormarsch in Europa

Die IAA war in diesem Jahr stark von chinesischen Anbietern geprägt. Dies hatte auch damit zu tun, dass zahlreiche Traditionsmarken der Messe fernblieben. Unter den Abwesenden befanden sich Größen wie Peugeot, Citroën, Fiat, Hyundai, Kia, Toyota, Ferrari, Jaguar und Volvo. Auf der Messe fiel auch die starke Präsenz von Zulieferern, Mobilitätsdienstleistern und IT-Unternehmen auf.

Den größten deutschen Stand hatte Volkswagen aufzuweisen. BMW hatte bereits am Samstag vor der Messe sein Konzept für die "Neue Klasse" vorgestellt, die zukünftige Generation von sechs Elektroautos, die ab 2025 produziert werden sollen, um der steigenden Nachfrage bei den Stromern gerecht zu werden. Der Autokonzern Stellantis war lediglich durch seine deutsche Marke Opel vertreten, während die Renault-Gruppe nur mit der Marke Renault auftrat, um das neue Scenic-Modell zu präsentieren.

Obwohl der Marktanteil aller chinesischen Hersteller in Europa derzeit mit knapp 2,5 Prozent noch relativ gering ausfällt, hat er sich gegenüber dem Vorjahr bereits verdoppelt. Von den diesjährigen IAA-Ausstellern hatten beachtliche 41 Prozent ihren Sitz in China, die nicht nur die dominante Position europäischer Hersteller im Bereich von Autos mit Verbrenner- und E-Motoren bedrohen, sondern auch die auf dem strategisch so wichtigen chinesischen Markt. Eric Kirstetter, Seniorpartner der Beratungsfirma Roland Berger: "Alle Prognosen gehen davon aus, dass die internationalen Konzerne auf dem chinesischen Markt Marktanteile an die einheimischen Marken und Tesla verlieren werden."

Besonders beeindruckend war auf der IAA Mobility der Auftritt des chinesischen Herstellers BYD. Das Unternehmen, das mittlerweile als weltweit größter Hersteller von Elektroautos gilt, unterstrich, dass die Chinesen hinsichtlich der Produktqualität inzwischen mehr als ordentlich abschneiden. Auf der Messe präsentierten sie ihre elektrischen Mittelklassemodelle Seal und Seal U. Auch Leapmotor, Nio, Great Wall, SAIC und andere chinesische Hersteller präsentierten ihre E-Modelle.

Software-Defined Cars

Elektrofahrzeuge bildeten auf der IAA aber nur einen Themenkreis einer sich im Wandel befindlichen Automobilwelt ab. Ein ebenso wichtiges Thema stellen die Software-Defined Cars dar. Nutzerorientierte Software wird ein immer bedeutenderes Element für moderne Kunden. Dies ist laut vielen Experten ein Grund, weshalb die chinesischen Hersteller im Vergleich zu ihren westlichen Konkurrenten über einen entscheidenden Vorteil im Bereich der Elektroautos verfügen.

Volkswagen sucht auf diesem Gebiet Unterstützung bei dem chinesischen Start-up Xpeng, das im Jahr 2024 in Deutschland starten möchte. Deutschland-Manager Markus Schrick kündigte an, mit etablierten Händlern zusammenzuarbeiten, während viele andere Neueinsteiger vor allem auf Onlineverkäufe setzen. Bisher ist Xpeng in nordeuropäischen Ländern aktiv, aber für das kommende Jahr sind auch Pläne für Frankreich und Großbritannien in der Pipeline.

Das Drehen an der Preisschraube

Sollten BYD und andere chinesische Hersteller die Preise in Europa weiter senken können, würde dies den Traditionsmarken Probleme bereiten. Auch Tesla dreht an der Preisschraube nach unten, indem auf eine begrenzte Anzahl von Modellvarianten gesetzt wird, während deutsche Hersteller noch stark in der technischen Modellvielfalt verhaftet sind. Und beim chinesischen Autobauer Nio, dessen Fahrzeuge bereits in Deutschland erhältlich sind, ist eine weitere Neuerung geplant. Das Unternehmen möchte mit einem einzigartigen Angebot auf sich aufmerksam machen: Statt die Batterie aufzuladen, können Nio-Fahrer sie in einer Wechselstation innerhalb weniger Minuten automatisch austauschen lassen.

Die IAA Mobility 2023 war in mehrerer Hinsicht bemerkenswert, machte sie doch augenfällig, dass die Automobilbranche sich global in einem schnellen Transformationsprozess befindet, der nicht mehr aufzuhalten ist. Wer jetzt von den Autoherstellern in der Lage ist, zugleich innovativ und preisbewusst zu agieren, hat gute Chancen, den Kampf um die Kundschaft der Zukunft erst einmal für sich zu entscheiden.

Zurück zur News Übersicht